Was ich in über 20 Jahren psychologischer Arbeit mit Menschen verstanden habe, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Männer können in der Regel bedingungsloser lieben als Frauen.
Wenn ein Mann eine Frau kennenlernt, gibt es meist nur zwei Richtungen – Daumen rauf oder Daumen runter. Passt oder passt nicht. Gefällt oder gefällt nicht. Es gibt selten ein ‘vielleicht’. Wenn sie für eine Beziehung passt, dann geht er diese Beziehung ein – ohne doppelten Boden, ohne Strategie, einfach aus dem Gefühl heraus.
Wenn eine Frau einen Mann kennenlernt, klingt es oft anders. Dann höre ich Sätze wie: „Er ist gut, aber das muss er noch lernen“ oder „Das gewöhne ich ihm noch ab“. Da steckt häufig ein unausgesprochener Plan dahinter – nämlich, den Mann nach ihren Vorstellungen zu formen. Erst dann, so denkt sie, ist er ‘richtig’. Doch genau hier beginnt das Problem.
Dieses An- oder Abgewöhnen funktioniert vielleicht zu Beginn der Beziehung. Vielleicht auch eine ganze Weile – aber selten dauerhaft. Mit der Zeit entsteht ein Ungleichgewicht: Sie ist nicht zufrieden und beginnt zu kritisieren, er ist nicht zufrieden und zieht sich zurück. Das Resultat ist Frust auf beiden Seiten. Sie fühlt sich unverstanden, er fühlt sich nie genug. So entsteht emotionale Distanz, wo einst Nähe war.
Dabei möchte jede Frau respektiert werden – in ihrer Ganzheit. Doch genau diesen Respekt, den sie sich selbst wünscht, verwehrt sie oft dem Mann. Sie akzeptiert seine weniger guten Seiten nicht, will sie verändern, anpassen, verbessern. Langfristig wird eine solche Konstellation zur Belastung für beide. Und wenn Kinder da sind, wird die Situation noch komplexer. Denn was leben wir ihnen dann vor? Eine Beziehung voller Spannung, aber ohne echte Zufriedenheit. Das ist nicht im Sinne des Erfinders.
Viel ehrlicher wäre es, sich zu Beginn einer Beziehung zu fragen: Schaffe ich es, die Seiten an ihm, die mir nicht gefallen, ein Leben lang auszuhalten? Kann ich sie respektieren, annehmen, mit ihnen umgehen? Wenn die ehrliche Antwort Nein lautet, dann sollte man den Mut haben, weiterzusuchen. Alles andere ist respektlos und unfair – vor allem ihm gegenüber.
Männer hingegen haben oft eine beeindruckende Toleranzgrenze. Sie nehmen die Schwächen ihrer Partnerin hin – manchmal über Jahre, manchmal ein Leben lang. Eine unperfekte Frau ist für sie vollkommen in Ordnung. Sie müssen sie nicht verändern, um sie lieben zu können. Das ist eine Form von bedingungsloser Liebe – jemanden zu lieben, ohne ständig eine Gegenleistung zu erwarten, ohne zu kontrollieren, ohne überzogene Erwartungen.
Ein Mann sagte einmal zu mir über seine Ex-Frau: „Sie war meine Nicole Kidman.“ Und glaubt mir – sie war alles andere als Nicole Kidman. Aber für ihn war sie es. Weil er sie nicht verglich. Weil er sie sah. So wie sie war.
Deshalb bleibe ich bei meiner Beobachtung: **Männer lieben. Frauen kalkulieren.** Und vielleicht wäre genau das der Punkt, an dem beide etwas voneinander lernen könnten.

